Die verschiedenen Rollen von Künstlern und Künstlerinnen in Modemagazinen

„Große Künstler seit Baudelaire waren mit der Mode im Komplott“ schrieb Adorno. Beide Bereiche seien sich einig „in der Aversion gegen Provinzialismus, gegen jenes Subalterne, das von sich fernzuhalten den einzigen menschenwürdigen Begriff künstlerischen Niveaus abgibt.“[1]

Das was Adorno damals schon aussagte, bleibt nachwievor aktuell. In meiner Auseinandersetzung mit der Interaktion von Text und Bild, habe ich mich entschieden, auf das Phänomen der Thematisierung von Künstlern in Modezeitschriften zu konzentrieren. Diese erfolgt meist über Fotostrecken. Der Bezug zum Text ist in diesem Fall doppelt gegeben. Einerseits, die zu den Fotografien abgedruckten Texte, andererseits die jüngst erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema.

Der Ausgangspunkt meiner Beschäftigung mit diesem Phänomen, war der Text Antje Krause-Wahls „Zwischen Atelier und  Laufsteg – Künstler/innen in Modemagazinen“ sowie weitere Texte dieser Autorin.

Da das aktuelle Forschungsgebiet Krause-Wahls jenes der Popularisierung von bildender Kunst in Modezeitschriften darstellt, sind ihre Aufsätze als Grundlagentexte anzusehen. Die darin präsentierten Fragestellungen sollen im Folgenden vorgestellt und durch weitere Überlegungen ergänzt werden.

Krause-Wahl zeigt in dem oben genannten Artikel, dass die Geschichte vom Erscheinen der Künstler/innen in Modezeitschriften schon lange existiert. Dabei ist, bei der Betrachtung mehrere solcher Fälle ersichtlich, wie unterschiedlich die Rollen der Künstler/innen innerhalb der Hefte sein können.

Die Autorin bespricht drei Arten von Künstlerpräsenz in Modemagazinen. Künstler in ihren Ateliers in den 1940/50ern, Künstlerinnen als Modelle in den 1960ern und aktuelle Bildstrecken, in denen Kunst und Mode interdisziplinär miteinander agieren. Krause-Wahl bespricht diese drei Typen der Inszenierung auch aus dem Wissen um Wandlungen unterzogene Wechselwirkung der Beziehung zwischen Modell und Betrachter/in heraus. Zusätzlich berücksichtigt sie, dass die Reaktion der Betrachter/innen auch von der Eingliederung der Fotografien innerhalb des Layouts und der Texte abhängt.

Die zentrale Frage formuliert Krause-Wahl mit: Inwieweit lässt sich der Begriff des Modells generell auf die in Modezeitschriften präsentierten Künstler/innen – Identitäten anwenden? In der Ambivalenz des Begriffes Modell positioniert Krause-Wahl ihre These. Es geht vor allem darum, wie Künstler/innen, präsentiert als Modelle, zu Modellen im Sinne von „Vorbildern“/ Role-Models werden können, da sie in Modemagazinen zur Identifikation anleiten sollen.

Dabei ist für Sie von besonderem Interesse, in wie fern die Inszenierung als Modell für weibliche und männliche Künstler unter unterschiedlichen Vorzeichen steht und so auch von den Leserinnen unterschiedlich wahrgenommen wird, da die Kleidung und das Phänomen der Mode das Erscheinungsbild der zeitgenössischen Alltagskultur prägen und Aufschluss geben über soziale Interaktionsformen zwischen den Geschlechtern.

Die Erscheinung  von Künstlern in Modezeitschriften der 1940er und 1950er Jahren ist den Vorlieben Verantwortlicher, wie etwa dem Art Director  der Vogue, Alexander Liberman zu verdanken. Liberman reiste häufig nach Europa um Avantgardekünstler in ihren Ateliers zu fotografieren. Aus dieser Beschäftigung heraus,  entdeckte er die Möglichkeit, innerhalb der Publikation für die er arbeitete, die sich als exklusives Modeblatt der Oberschicht verstand, neben anderen Beiträgen zum kulturellen Geschehen, etwa solche über Literatur, auch solche über Künstler einzubauen und damit einhergehend der neuesten Kunst verstärkt Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Ähnlich verfuhr auch Alexander Brodovitch vom Harper’s Bazaar. Die Modezeitschriften, die sich zu jener Zeit auch verstärkt als Vermittlerinnen von neuen kulturellen Informationen verstanden, erfüllten diese Rolle mit der Integration der Atelierfotografien um so mehr.  Fast unbemerkt wurden die ästhetisch aufbereiteten Aufnahmen der Künstler in die Blätter aufgenommen und den Damen der guten Gesellschaft vorgestellt. Die Übergänge  von standesgerechter Mode zu Kunst der Avantgarde waren fließend: „these pictures brought the legend of the modernist artist to women within the realm of fashion-magazine fantasy. …It seemed natural for North-American women to study a photograph of a model wearing a Dior dress within seconds of having contemplated a photo essay of Picasso in his studio.“[1][2]

Während sich Krause-Wahl in ihrem Aufsatz, anschließend an die Besprechung der Zuführung von Avantgardekunst in einer für die Betrachter bekömmliche Weise, mit dem Komplex Modell – Kunst – Fotografie – Rezensent auseinandersetzt, möchte ich gerne den Blick auf etwas anderes richten.

Die in dieser Zeit übliche Praxis der Ablichtung von Modellen in kostbaren Modestücken vor großformatigen modernen Kunstwerken, die diesen als Hintergrund dienten, lässt mich daran denken, dass die erste Präsenz von Künstlern in Modezeitschriften jene ist, die stellvertretend über Kunstwerke zustande kam.  Ein Beispiel dafür wäre die Modestrecke von Cecil Beaton, die in der März-Ausgabe der amerikanischen Vogue von 1951 abgebildet war.[3] Für seine Modefotografien hatte sich Beaton, Bilder Jackson Pollocks ausgesucht. Während die Bilder auch einige fotografische Kunstgriffe aufweisen (spezielle Belichtung, die das Modell vor dem Hintergrund wie hell herausgehoben erscheinen lässt etc.), die auf dem ersten Blick die Mode zu der Hauptdarstellerin dieser Bilder machen, fällt auf dem zweiten Blick auf, dass die Modelle der Kunst, vor der sie platziert sind, sehr viel Raum lassen. Die Hintergrundgemälde erfahren somit eine Aufwertung und mit ihnen ihr Erschaffer, Jackson Pollock. Dieser wird in dem die Bilder begleitendem Text einerseits den Leserinnen näher gebracht, andererseits als genialer und von Kunstsammlern geschätzter Künstler beschrieben.[4] Die Prominenz seiner Bilder in den Fotografien, sowie die Präsentation im Text, lassen erkennen, dass die Vorstellung des Künstlers Pollock eine wichtige Rolle spielte, zumindest ebenso wichtig, wie die Vorstellung der Kleidermodelle.

Neben dem Beispiel des Künstlers, der durch sein Werk auf den Seiten eines Modemagazins präsent ist, nehmen Künstler, in der ihnen von den Fotografen vorgegebenen Position in den Bildfolgen nicht selten die Funktion eines schöpferischen Vorbildes ein. In ihrer Arbeitsumgebung, dem Atelier abgebildet, sind sie nicht die Träger von neuesten modischen Erzeugnissen, sondern werden in ihrer gewohnten Kleidung gezeigt, der zwar automatisch Bedeutung beigemessen wird, die jedoch nur Requisit ist. Der Künstler, der mit seinem Geist und seinem Talent wirkt, soll den Leser/innen als Vorbild dafür dienen, selbst in ihrem Lebensraum einzugreifen, ihn zu gestalten. So verhält es sich, nach Meinung Krause-Wahls mit Matisse, (Abb.1) der in den 1950er Jahren immer wieder Gegenstand von Bildreihen geworden ist: „Mit diesen Bildern wird zudem nicht nur der Topos des isolierten, romantischen Künstlers propagiert; Künstler scheinen vielmehr interessanter in einer schaffenden Tätigkeit, die der kreativen Tätigkeit des (Aus)schmückens der Leserin selbst entspricht“[5]

In dem Fall von Marisol Escobar, (Abb.2 und 3) der ebenfalls von Krause-Wohl geschildert wird, werden die Aufnahmen im gewohnten Raum der Künstlerin – ihre Ausstellung und ihr Atelier – durch die Angaben zu den von ihr getragenen Kleidungstücken ergänzt. Die Profession der Künstlerin tritt in den Hintergrund, ist jedoch durch das Setting noch ersichtlich. Marisol Escobar wird zum Modevorbild der Leserinnen (Abb. 4 und 6). Krause-Wahls Vergleich mit andern Bildfolgen desselben Heftes, bringen den Beweis dafür, dass die Künstlerin, mit Hilfe der stilisierten Haltungen, und den von ihr eingenommenen Rollen der  Museums- und Diskotheksbesucherin als Modell fungiert. „In dieser Eigenschaft wird sie … in das System des Layouts eingegliedert, dass sie, im Unterschied zu den anderen Kreativen, in ihrer Modellrolle noch bestärkt.“ [6] Die Künstlerpersönlichkeit muss zu Gunsten einer Modellrolle zurücktreten. Nicht Individualität ist gefragt, sondern die Anpassung an einen vorgegebenen Präsentationsmodus, der aber durch das Erscheinen in der Serie „Fashion Independent“, die erfolgreiche Frauen vorstellt, etwas abgeschwächt ist.

Die Rolle des Künstlers in einer viel selbstbewussteren Variante, ist jene, die etwa von Andy Warhol, in der L’Uomo Vogue, Februar/ März 1974, eingenommen wird (Abb.7). Warhol fehlen nun die bisher bekannten Attribute des Künstlers. Er ist nicht mehr von einem Atelier  umgeben, steht nicht in Mitten seiner künstlerischen Erzeugnisse. Er ersetzt ein männliches Fotomodell in der Vorführung von Kleidung. Trotzdem, weisen seine Posen eine sehr große Freiheit auf, die in diesem Ausmaß einer Künstlerin, in einer für Damen bestimmten Modezeitschrift, nicht möglich zu sein schien. Er geht spielerisch mit seiner Geschlechterrolle um, indem er weibliche Posen einnimmt und bricht anhand des Fotoapparats aus den Grenzen des abzubildenden Objekts aus, indem er selbst ablichtendes Subjekt wird.  „Er präsentiert sich als jemand, der sich in und mit der Mode erschafft.“[7]

Das provokative Spiel mit den gesellschaftlich vorgegeben Verhaltensmustern oder mit solchen, die an das Geschlecht oder den Beruf gebunden waren, ist bei Warhol schon spürbar, hat sich aber bis in die Gegenwart zusehends verstärkt. Künstler/innen treten in Modezeitschriften in ihrer Individualität auf.  Sie werden von Designern herangezogen, um das Image ihres Labels zu repräsentieren, um dem Normalverbraucher die notwendigen Charaktereigenschaften vorzuführen, die den Trägern bestimmter Kleidungstücke anhaften könnten. Der Künstler/ die Künstlerin tritt nunmehr als Role-Model auf. Innerhalb der Modestrecken  lassen sich viele Verhaltensklischees auffinden, meist ironisiert oder in Frage gestellt. Tracey Emin sehen wir in der britischen Vogue 2001 in verruchter Pose, (Abb.7) die sie jedoch selbst ausgewählt hat und selbst aufnimmt, so lässt es zumindest der Auslöser in ihrer Hand deuten. Dass sie in diesem Bild mit alten Darstellungsformen der Frau spielt, ist eindeutig.

Als erfolgreiche und kontroversielle Künstlerin mit hohem Bekanntheitsgrad trägt sie, wie selbstverständlich ein zu ihrem Image passendes Kleid von Vivienne Westwood. Krause-Wahl interpretiert das teure Designerkleid als das Ergebnis harter Arbeit.

Als weitere Variante der Darstellung von Künstlern in Modestrecken, dienen Beispiele in Zeitschriften, deren Schwerpunkt nicht ausschließlich auf der Mode liegt, sondern eher auf den Kulturbereich mit all seinen vielfältigen Facetten. Spätestens in Bildern wie jene, die Elizabeth Peyton im Purple Fashion Magazine zeigen – es sind schnapsschussartige, unscharfe Fotos, auf denen die Künstlerin in ihrer Alltagskleidung zu sehen ist -,  eignen sich die Künstler die Kleidung an, um sich mit ihrer Hilfe selbst zu definieren und zu porträtieren.(Abb.8 und 9).

Das Modetragen selbst wird zu einem künstlerischen Projekt.

Ein einzigartiges Modeprojekt vollzog sich während der Fake Biennale, in der Karibik.  Künstler, die, wie verlangt,  ohne ihre Erzeugnisse zu dieser Veranstaltung angereist waren, thematisierten den Modebetrieb innerhalb des größeren Gefüges des Kulturbetriebes, indem sie sich als Träger bestimmter Marken ablichteten und  „wie ein Designlabel die Qualität eines Produktes – eines Kunstwerkes und einer Kleidung gleichermaßen – garantierten.“[8]

Das kreative Potential der Künstler, das die Selbstfindung suggeriert, wird in die Bildfolgen einer Zeitschrift integriert und schafft  Identifikationspotential für Leser/innen.

Ich habe versucht die Beispiele die, von Krause-Wahl angeführt wurden, durch solche zu ergänzen, die ich in aktuellen Magazinen aufgefunden habe und die, meiner Meinung nach, die Reihe der verschiedenen von Künstler einzunehmenden oder eingenommenen Rollen weiterführen.

In den aktuellen Ausgaben des Modemagazins Purple, in den Bänden 9 und 10 des Jahres 2008, habe ich ebenfalls Beispiele gefunden, in welchen Künstler durch Bild und Text in Modemagazinen inszeniert werden. Purple Magazine bedient einen Kreis von Konsument/innen, für die das Miteinander von Kunst und Mode selbstverständlich ist.

Drei New Yorker Künstler der neuesten „Avantgarde“ werden in Modestrecken vorgestellt, als Künstler und Modeträger in einem. Dan Colen, Dash Snow und Terence Koh wurden von Terry Richardson und Magnus Unnar fotografiert, um Mode „vor zu führen“, um durch ihr Image Identifikationspotential zu schaffen.

 


Dan Colen, „one of the most promising of the new generation of New York artists, is here portrayed by three long time Purple contributors, all veterans of the New York art scene. […] a man who along with his peers Dash Snow, Nate Lowan, Ryan McGinley et al. defines Down Town New York art today.“

Die Bildstrecke soll das Porträt des Künstlers in einer sich abwechselnden Abfolge von Mode mit Atelierfotos, Kunstwerken, und einem Fragenkatalog darstellen. Dan Colen trägt ausschließlich dunkle Anzugjacken, weiße Hemden, graue Mäntel, die eigene Jeans voller Farbflecken, ein schmutziges T-Shirt. Er wird vor der weißen Wand des Ateliers, stehend fotografiert. In der ersten Aufnahme steht er lässig mit einer Zigarette im Mund, am Hals baumelt eine Kette aus zusammengedrückten Bierdosen und ein Schlüssel als Anhänger (Abb. 10). Er trägt eine „tuxedo jacket“ von Yves Saint Laurent, so wird es ganz klein am oberen Bildrand beschrieben. Andere Designerlabels, die er trägt sind BURBERRY, DOLCE&GABBANA (Abb.11). In einem grauen wollenen Smoking von MAISON MARTIN MARGIELA liegt er auf Müllsäcken (Abb.12). Es folgen Bilder des Künstlers, Aufnahmen seiner Atelierkleidung schmutzige Jeans und T-Shirt (Abb.13). Auf der letzten Seite trägt er, Bier trinkend, nur einen schwarzen Trenchcoat von MARGIELA (Abb.14).

Das Posieren mit Bier, Zigarette, auf Müllsäcken, halbnackt, das sind Motive die die Identifikation mit dem Künstler als Modell verneinen, umkehren, um mit Gleichgültigkeit Rebellion inszenieren. Der Modeartikel wird als Mittel benutzt, um die künstlerische Außenseiterrolle der Ausnahmeperson zu unterstreichen. Gleichzeitig wirbt der Künstler für sich und das Designerlabel. Er inszeniert sich selbst als Marke.

Ein anderer Künstler, der Mannequinrolle übernimmt ist Terence Koh, in der gleichen Ausgabe des Purple Fashion Magazine, im Band 9. Die Fotogeschichte zeigt „a selection of luxurious women’s fashion items from artist Terence Koh’s personal collection“. Für diese Private collection modelt er mit Olivier Zahm, dem Chefredakteur und Art Director der Zeitschrift (Abb.16). Die beiden wurden von Magnus Unnar fotografiert. Koh trägt goldene Roboterleggins von Balenciaga(Abb.15), Alligator-Lederhandschuhe von Prada (Abb.17), eine schwarze überdimensionierte, Kunstwebpelzstola von Margiela (Abb.16), eine weiße Felljacke von Prada (Abb.18), ein PVC Cape von Gareth Pugh (Abb.19). Die Bildstrecke scheint als Thema Haut, Leder, Pelz zu haben. Der Künstler trägt auf seiner nackten Haut, auch auf seiner nackten Kopfhaut, echte Haut und Hautimitationen. Es geht hier um eine flüchtige Inszenierung des Künstlers, er springt oft im Bild, aus dem Bild, als Vorbild einer zweideutigen Interpretation des Themas, der Haut.  Terence Koh übernimmt die traditionell weibliche Modelrolle, so wie es Krause-Wahl formuliert hat, und posiert fast halbnackt in weiblichen Kleidungsstücken berühmter Designer. Diese weiblichen Attribute eignet er sich so an, dass er eine fast schauspielerische Rolle vorzuführen vermag. Als Mann in Frauenkleidern übergeht er auch noch bewusst die Genderrollen. Unübersehbar jedenfalls sind die zunehmend subtilen Ausdifferenzierungen dessen, was im Gewand des Modischen als weiblich oder männlich zu gelten hat.

„Die Perspektive der Handelnden, die im Alltag das ‚Sich-Kleiden‘ als eine primäre soziale Anforderung betrachten wird umgekehrt. Mode spielt mit einer doppelten Semantik und versucht auch die Männer einzubinden trägt zu ihrer überbordenden Präsenz im Alltag der postmodernen Kunst bei.“[1]

Der Künstler Dash Snow wurde von Terry Richardson im Band 10 des Purple Fashion Magazine fotografiert.

„Dash Snow is not simply an icon of personal style – whatever he wears looks good. Behind his perceived hardcore image and excessive behaviour, Dash Snow incarnates for a new generation of artists a pure opposition to violence, compromise and corruption. His refusal to be conditioned makes him a symbol of purity in stark contrast to the chaotic and cynical world he constantly tries to escape“.

„He never separates art from life. “ Steht im Einleitungstext zur Bildstrecke, der fast wie ein unkonventionelles Familienfotoalbum organisiert wird. Es treten Freunde des Künstlers, seine Freundin Jade Berreau, seine Tochter Secret Snow, Martine Malle, Jades Mutter und die Großmutter des Künstlers Cristophe de Menil auf. Dash trägt wiederum ähnlich wie Koh weibliche Kleidungsstücke der aktuellen Modekollektionen von Balenciaga, Alexander McQueen, Rick Owens, Sophia Kokosalaki, Karl Lagerfeld, Yves Saint Laurent, Dolce&Gabbana, Zac Posen(Abb. 21-26). Man sieht ihn auch in Pose mit Fotoapparat in der Hand, in einem kurzen Kleid mit Stiefel und Kappe. Er übernimmt ähnlich wie Andy Warhol und Tracey Emin im Artikel von Krause-Wahl sowohl Subjekt – als auch Objektposition. Sein Atelier kann auch betrachtet werden, der Künstler sucht nach einer Vinylplatte. Der Künstler lässt auch zu, dass man seine Freundin, seine Tochter im Magazin als Model abbildet. Auf einem der Photos stützt er das Mädchen auf seinem seidenen, bestickten Yves Saint Laurent Mantel. Auf dem nächsten Foto hält er das Kind, das eine Kette aus Weißgold und Diamanten trägt, ins Bild. Seine Freundin Jade küsst er in einem Fransenkleidchen von Kai Kühne. Im nächsten Bild teilen sie sich Anzug von Dolce&Gabbana, die Geschlechterrollen sind umgedreht. Sie trägt die Hose und ihren Liebhaber (Abb. 26).

Es ist eine Inszenierung des eigenen Familienlebens, die sensationell dargebracht wird. Der junge Künstler vermarktet sich durch das Tragen von Modelabels und indem er dem Zielpublikum der Zeitschrift scheinbar erlaubt in sein Privatleben zu schauen. Die Geschlechterrollen wurden wieder vertauscht, Dash zeigt sich hauptsächlich in Frauenkleidung, aber es scheint als würde es sich hier um eine ironische Umkehrung handeln. Es macht ihm Spaß sich so zu „verkleiden“, vielleicht auch um der Sensation willen. Im eigenen Atelier, nach dem traditionellen Bild vom männlichen Künstler, trägt er nämlich eine Hose, während er nach der Schallplatte sucht.

Modell für Mode ist in diesem Fall ein Spiel mit den Geschlechterrollen für eine selbstbewusste Inszenierung des eigenen Selbst.

Die Beschreibungen, Bezeichnungen der Designerlabels werden teils in Blockbuchstaben, hervorgehoben, teilweise findet man diese fast nicht, da sie im Hintergrund der Photos verschwinden. Die Preise der jeweiligen Kleidungsstücke und Accessoires fehlen gänzlich, ebenfalls erfährt man auch nicht, wo man diese erwerben könnte. Die Designerkleidung gilt als exklusiv. Das Phänomen der Verbindung von Kunst mit Mode geschieht in  aktuellen Modezeitschriften ziemlich oft. Die Künstlermodelle erschaffen sich selbst durch das Annehmen von mehreren Modestilen/Kollektionen. Dies entspringt einem reflexiven Akt.

Dan Colen, Dash Snow und Terence Koh inszenieren sich als junge Künstler in der modischen In-Zeitschrift. Sie werden plakativ in das Layout durch Abfolge der Bildstrecken integriert. Für die zeitgenössischen Betrachter, für die es in den letzten zwei Jahrzehnten immer selbstverständlicher geworden ist, Künstler in der Rolle von Models zu sehen, bieten sie nicht länger die Diskrepanz, wie etwa im Fall von Matisse, zwischen Kunst schaffendem Subjekt und zum Objekt gewordenen Model. Es ist nicht mehr nur die dem Atelier entrückte Präsenz auf den Seiten verschiedenster Zeitschriften, die dem Betrachter ungewöhnlich anmutet. Von einer Erschütterung einer Vorbildwirkung kann nicht länger die Rede sein. Es ist die Art der Präsentation, die Aufsehen erregt. Das Spiel mit Tabus, wie jenem der Nacktheit oder jene von Geschlechterrollen, die unkonventionelle Vorführung von Mode, bei der die Modelle nicht im Hintergrund bleiben und die Markenkleidung auf den Betrachter wirken lassen, sondern sich deren zur teilweisen Selbstdarstellung bemächtigen.

Mode gilt als Identität bildend, sie wird genutzt um sich auszudrücken, ist gleichzeitig aber widersprüchlich. Sie lebt von der Ambivalenz zwischen Nacktheit und Uniform, Anpassungsstreben und Absonderungssucht, Individuum und Gruppe.
Die „Inszenierung im öffentlichen Raum, das im ambivalenten Zwischenbereich von Kunst und Kommerz, Innovation und Tradition, Natürlichkeit und Artifizialität, Alltagskultur und Musealisierung changiert“[2] spiegelt sich deutlich in der Modezeitschrift Purple. Berichte über Mode und Berichte über Kunst gehen nahtlos ineinander über, sodass die Kategorien von Mode und Kunst durchlässiger geworden sind und die Grenzüberschreitungen kaum erkennbar sind.

Die Gestaltung der eigenen Identität,  wird durch Fotodokus dargeboten. Die portraitierten Künstler, Fotografen, Chefredakteur kennen sich untereinander, werden in ihrer eigenen Lebenswirklichkeit gezeigt, interagieren miteinander. Es entstehen attraktive Kollaborationen, sensationell verpackt. Durch Vermischung von Musik mit Kleidung, Fotografie und Kunst, kreiert man authentische, dokumentarisch angehauchte Biographien von Künstlern, Identitätskonzepte und Subjektpositionen. Designer und Künstler setzen sich gegenseitig in Szene. Das Medium Modezeitschrift dient als Plattform zur Selbstpositionierung. Das wechselvolle Verhältnis zwischen Mode und Avantgarde, das in den Purple-Ausgaben durch Bild und Schriften erzeugt wird, ist charakterisiert durch den Zwang zur permanenten Erneuerung. Die amerikanische Avantgarde fungiert in diesem Fall als identitätsstiftende Vorlage ästhetischer Selbstfindung.

Mit dem Aufkommen des Kunstmarktes, durch das moderne Zeitalter der Konsumkultur mit seinen glamourösen Vernissagen und Messen etablierte sich die eine visuelle Kunstszene in der auf jeder Party, die Marke und der Künstler nicht fehlen darf. Umgekehrt akzentuiert auch  die Model-, Mode- und Modeschöpferszene ihr Interesse an der Kunst und verhelfen ihr zu mehr Aufmerksamkeit. „Mode zeichnet Zeit“, sagt der japanische Avantgardist Yohji Yamamoto. Er sieht Mode nicht nur als Spiegel des Zeitgeistes, sondern als Interpretin und Analytikerin.[3] Das  Paradoxale an der Mode ist die gleichzeitige Ausrichtung auf Kommerz und Kunst. Mode ist somit gesellschaftspolitisch relevant und multidimensional.

Marc Jacobs und Prada gelten als besondere Kleidungslieferanten der Modewelt, mit diesen Labels hat man stets richtige, wichtige Auftritte in der Kunstwelt. Diese zwei Marken kann man hauptsächlich an Galeristen, Sammlern oder erfolgreichen Künstlern beobachten. Das ist Mode, in der man genauso neu und anders aussieht wie die Kunst, die man kaufen oder verkaufen will. Ebenso haben Avantgardemarken wie Margiela, Comme des Garcons, Hussein Chalayan ihre Käufer in der Kunstwelt.  Das Spektakel aus Performances, Lesungen, Empfängen und Gala-Diners der Mode ist nicht nur als Marketingplattform und Inspirationsquelle, sondern bestimmt teilweise schon selbst den Markt.

Der Kunstbetrieb verwandelte sich durch die das Aufnehmen von Modeelementen in eine Industrie, die vom Visuellen bestimmt ist. Die gegenseitige Faszination von Mode und Kunst lässt sich an Zeitschriften wie V, selfservice, i-D, Purple, Dazed&Confused und vielen anderen deutlich in den Seiten ablesen, die gleichzeitig der künstlerischen, wie der modischen Produktion gewidmet werden.

Die glamourösen, exzentrischen Persönlichkeiten und Typen verfügen über ein enormes Identifikationspotential und ziehen die mediale Aufmerksamkeit auf sich. Sie gelten als Celebrities. Früher war dieser Bekanntheitsstatus in der Kunstwelt nur einzelnen Künstlerpersönlichkeiten vorbehalten, wie Andy Warhol, Julian Schnabel oder Jeff Koons. Dies hat sich aber geändert.

„Auch in der Kunstwelt gilt das Prinzip der Nachahmung, das Prinzip, das den Individualisierungsprozess selbst ausmacht. Von einer Art Herdentrieb geleitet, jagen z.B. sämtliche Akteur/innen den gleichen Namen hinterher, Künstlernamen, die im Übrigen wie Modelabels funktionieren.“[4]

Meiner Meinung nach bilden Kunstwerk und Mode keinen Gegensatz, sie wirken wechselseitig aufeinander ein, „führen Dialoge“, um sich ständig zu potenzieren. Die Modetheoretikerin Gertraud Lehnert sieht das Verhältnis von Mode und Avantgarde wie folgt:

„Modern ist Mode schon deshalb, weil sie es schafft, Kleidung von ihrer nützlichen Funktion zu emanzipieren und sie mit der ästhetischen zu verknüpfen – und so, wie es die Avantgarde immer gefordert hat, Kunst ins Leben und Leben in Kunst zu bringen.“[5]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


[5] http://www.sueddeutsche.de/leben/951/410724/text/2/, Zugriff am 5.9.2009.

[2] Mary Bergstein, zitiert nach A. Krause-Wahl, in: Hrsg.von Katharina Ahr, Susanne Holschbach, Antje Krause-Wahl, Mode-Kunst-Zeitschrift,  Erblätterte Identitäten, Katalog zur Ausstellung Erblätterte Identitäten: Stadthaus Ulm, 23.Sept.-11.Feb.2007; Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, 18. April 2007 bis 26.Mai 2007 S. 105

[3] Pollock in Vogue – Vogue in Pollock, Amerikanische Kreativität und französischer Stil in Cecil Beatons Modefotografien in Vogue 1951, S. 97, in: Hrsg.von Ahr, Holschbach, Krause-Wahl, 2007, S 97-103

[4] ibidem, S.100

[5] Krause-Wahl, in: Hrsg.von Ahr, Holschbach, Krause-Wahl, 2007, S 104-111, S. 106

[6] Krause-Wahl, in: Hrsg.von Ahr, Holschbach, Krause-Wahl, 2007, S 104-111, S. 107

[7] ibidem, S.108

[8] Krause-Wahl, in: Hrsg.von Ahr, Holschbach, Krause-Wahl, 2007, S 104-111, S.110


[1] http://www.tagesspiegel.de/kultur/Mode;art772.2456895 , Zugriff am 5. September 2009.