Museumsflaneure

Fotograf: Sebastian Haller

Das Kunsthistorische Museum, insbesondere seine Gemäldegalerien, hat mir ein komplexes Konstrukt geboten, um durch die Verarbeitung der Beobachtungen, in einer Art Studie, eine neue Kollektion mit dem Titel Museumsflaneure aus den Elementen der Freizeitkleidung der Besucher zu kreieren. In meiner Kollektion spiegelt sich vor allem die Mode der Gemäldegalerien des Kunsthistorischen Museums, als Kommentar auf die sich ständig wiederholenden Formen von Kleidung. Ich habe in diesem Raum nach Modeattributen gesucht und habe die Codices der Kleidung des globalen Wanderers, die vom mobilen Massentourismus begründet sind, verzeichnet. Diese lassen sich unter dem  Begriff der preiswerten Massenware zusammenfassen.

In meiner Kollektion versuche ich die konventionelle, alltägliche, austauschbare Kleidung von gleicher Qualität und Stoffausnützung neu zu interpretieren. Es ging mir bei der Kollektionsplanung um den subversiv genutzten öffentlichen Raum. Die Spuren von Interaktion, die so entstehen, dienten als Inspiration. Ich konzentrierte mich in der Kollektionsumsetzung auf die Überschreitung von Norm und den Bruch dieser und kommentiere dadurch die gesellschaftliche Kulturübung.

Die Kollektion ist durch das Collagieren entstanden, sowohl am Papier, als auch direkt, auf der Suche nach Parallelen zwischen Mode und Museum. Die neu erfundene Kleidung bittet die Masse des Museumsraums zur Abweichung von der Norm. Die Kollektion spielt also mit dem stilistischen Vokabular der Konventionen.

Den Übertritt der Norm sowie den Bruch dieser, den der leidenschaftliche Flaneur anwendet, um vollkommene Genüsse zu erleben, zitiere ich in der Kollektion, indem ich die Taschen, Rucksäcke, Flaschen, Regenschirme und Granatäpfel in die Kleidungsstücke integriere, damit diese nicht mehr beim Eingang in den Museumssaal verboten werden können.

Das Künstliche dieses Raumes, die Atmosphäre, die Abgeschlossenheit, das Licht, die Luft und die künstlichen Absperrungen, der Wechsel zwischen Kalt und Warm, diese Zeichen des Raumes sind in der Kollektion eingebaut, als eine synästhetische Variation der Raumatmosphäre und der Museumserfahrung.  Es wird eine Kombination zwischen einer Sommer,-und Winterkollektion vorgeschlagen, da der Temperaturwechsel im Raum wiedergegeben werden soll.

In der Kollektion verleihe ich den  Kleidungsstücken die Farben der prunkvollen Gemäldegalerien des Wiener Kunsthistorischen Museums: die Rottöne – Bordeaux, ein wenig Zinnober – lieferten die dunkelrot eingepackten Wände des Tiziansaales. Die Grüntöne -Kaki, Gelbgrün- sind in den Kabinetten vorherrschend. Das Ockergelb stammt von den Fenstervorsprüngen und den gewachsten Parkettböden. Einige Kleidungsstücke bestehen deswegen aus steifem, nach Wachs riechendem, öligem Chintz. Die Bänke der Gemäldegalerien lieferten die Grautöne und die Idee zur Verwendung von Samt oder Cordstoff. Die beschichteten, glänzenden schwarzen Stoffe wurden aufgrund des schwarzen Marmorwerks an den Türstöcken übernommen, um Schulter,- Arm,- und Oberschenkelpartien steif, rund und voluminös wirken zu lassen. Die goldenen Dekorationen, Umrahmungen und Saalnummerierungen, habe ich in Form des Zubehörs, durch kleine goldene Knöpfe und Schnallen  integriert. Das Granatapfelmuster, das in den Stoffen der Gemälden des 16. Jahrhunderts oft vor zu finden ist, wurde in gestrickter Wolle neu gezeichnet.

Diese Zeichen des Raumes sowie die Zitate von Massenkultur und Welttourismus sollen die Museumserfahrung, die Genüsse des weltenwandernden Flaneurs außerhalb des Museumsraums verlängern. Durch das Tragen der Kleidungsstücke aus der Kollektion soll der Museumsflaneur die sich überschneidenden Zeichen der Distinktion, der Selbstgestaltung, des spielerischen Umgangs mit der Norm am Körper tragen.  Die Attribute des kulturell Gebildeten, des rastlosen Touristen und die Attribute der Galerien wurden in der Kollektion gemischt. Die so kreierte Mode soll widersprüchlich dem Museumsspaziergang dienen. In einem postmodernen Mix von Bezügen (Honoré Daumiers Karikaturen, das Kunsthistorische Museum als Ort der Bekleidung, Thomas Struths  Museumsfotografien, Thomas Bernhards Komödie Alte Meister, Kulturtheorien zur Uniformierung durch Konsum von Massenwaren) schlage ich eine ironisch-kritische Abänderung der Museumsuniform vor.